Europäischer Gerichtshof soll Haftung zur VPN-Nutzung beim Streaming klären

Der Einsatz von einem „Virtual-Private-Network“ (VPN) stellt eine sinnvolle Maßnahme zur Wahrung der Anonymität im Netz dar. Durch die sichere Verschlüsselung wird der Standort verschleiert und Hacker haben keine Chance mehr den eigenen Datenverkehr mitzulesen. Immer häufiger kommen VPNs auch beim Umgehen von regionalen Sperren bestimmter Inhalte zum Einsatz. Durch das sog. „Geoblocking“ sperren auch Streaming-Anbieter Inhalte für Nutzer aus bestimmten Regionen. Grund dafür sind Verpflichtungen gegenüber Lizenzpartnern. Oft schon wurde darüber diskutiert, ob das Aushebeln von Sperren beim Streaming zu Urheberrechtsverstößen führt und wer für diese haftet. Der europäische Gerichtshof soll diese Frage nun klären. Nach Einschätzung des zuständigen EuGH-Generalanwalts sind die Anbieter für ausreichende Maßnahmen verantwortlich.

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Geo-Sperre lässt sich leicht mit VPN umgehen

VPN-Tools leiten die Verbindung über die Server des VPN-Anbieters um, sodass es für den Zielserver so aussieht, als käme die Anfrage direkt von diesem. VPN-Nutzer können so gezielt Server aus anderen Regionen wählen, um auf Inhalte zugreifen zu können, die im eigenen Land gesperrt sind. Diese Möglichkeit macht den Einsatz von VPN-Tools zu einem mächtigen Werkzeug gegen Zensur, aber auch bei regulären Medieninhalten, die aus Lizenzgründen nicht verfügbar sind, kommt diese Strategie zu Einsatz. So lassen sich mit einem VPN Geo-Sperren von Streaming-Diensten entblocken. Für die Anbieter ist nämlich nicht wichtig, wo ein Nutzerkonto eröffnet wurde, sondern von wo aus gestreamt wird. Nutzer von Netflix und Co. können mit diesem Trick auf Filme oder Serien zugreifen, die im eigenen Land noch nicht verfügbar sind. Allerdings wird diese Vorgehensweise von Streaming-Anbietern normalerweise nicht gern gesehen, da die erworbenen Vertriebsrechte von Medienprodukte nur in einem bestimmten Rahmen gültig sind.

Streaming-Anbieter müssen sich gegenüber Lizenzpartnern absichern

Wenn Nutzer der Plattformen nun auf diese Inhalte zugreifen, obwohl sie aus einer Region kommen, für die keine Lizenz vorliegt, können Urheberrechtsansprüche geltend gemacht werden. Zwar kommt es in den seltensten Fällen zu konkreten juristischen Auseinandersetzungen und Einzelfälle werden ohnehin nicht verfolgt, doch wenn das Geoblocking im großen Stil umgangen wird, können Filmstudios die Reißleine ziehen. Das bedeutet dann, dass in Zukunft keine Verträge mehr mit den vorherigen Lizenzpartnern zustande kommen, was sich negativ auf das Angebot der Streaming-Plattformen auswirkt. Dass Streaming-Anbieter ein Problem mit dem Austricksen von Geo-Sperren haben, hängt deshalb konkret mit dem vorliegenden Geschäftsmodell zusammen. Die Fälle, mit denen es der Europäische Gerichtshof aktuell zu tun hat, sind jedoch etwas anders gelagert. Auslöser war ein Rechtsstreit vor dem obersten Gerichtshof Österreichs, der dem EuGH mit der Bitte zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde.

Bei dem Rechtsstreit zwischen der Plattform GO4U und der serbischen Produktionsstudio Grand Production geht es um die Relevanz von Geoblocking als notwendige Schutzmaßnahme zur Erfüllung bestehender Lizenzverträge. Ein Tochterunternehmen des ebenfalls serbischen Streaming-Anbieters G04U hat einen Sitz in Österreich, wodurch auch Kunden außerhalb von Serbien und Montenegro Zugriff auf die Medieninhalte von Grand Production erhalten haben. Dem Plädoyer folgend, hat GO4U mit Geoblocking-Maßnahmen sicherzustellen, dass die Inhalte nur innerhalb der vereinbarten Lizenzgebiete abgerufen werden können. Laut des Gutachters werden die Inhalte durch das Umgehen der Sperren unbefugten zugänglich gemacht. Ohne Geoblocking sei jedoch der Plattformbetreiber haftbar.

VPN-Nutzer in der rechtlichen Grauzone

Noch steht das Urteil zu diesem Rechtsstreit aus und aktuell ist noch nicht klar, ob und in welchem Rahmen die Richter der Argumentation des zuständigen Generalanwalts folgen werden. Dennoch könnte eine Entscheidung weitreichende Folgen für Streaming-Anbieter und ihre Nutzer haben. Bis dahin bewegen sich die Kunden von Streaming-Diensten jedoch in einer Grauzone, wenn sie ein VPN-Programm nutzen, um zusätzliche Inhalte konsumieren zu können. Der virtuelle Standortwechsel in ein anderes Land in Kombination mit der Nutzung von Streaming-Angeboten ist also prinzipiell nicht illegal.

Ein VPN-Tool schützt vor Hackerangriffen und Datenklau. Es kann aber auch zum Umgehen des Geoblockings genutzt werden. (Bild von Stefan Coders auf Pixabay)

Unklarheit in den AGBs von Netflix und Co.

Dass Plattformen wie Netflix, Amazon Prime oder Disney+ auf Geoblocking setzen, ist auch jetzt schon der juristischen Absicherung gegenüber den eigenen Lizenzpartnern geschuldet. Selbstverständlich weisen die Anbieter auch in Ihren AGBs auf den Rahmen der erlaubten Nutzung des Angebots hin. In Bezug auf das Umgehen der Sperren mit einem VPN zeigen sich die Big-Player der Branche aber überraschend uneinig. So finden VPNs in den AGBs von Netflix gar keine namentliche Erwähnung. Trotzdem wird klar ausgeführt, dass der Abruf von Filmen und Serien nur für Kunden aus den jeweils lizenzierten Regionen erlaubt ist. Schon 2016 hat das Unternehmen zudem klare Kante gegen das Austricksen der Geo-Sperren gezeigt. Netflix weist immer wieder darauf hin, dass man auffällige Nutzeraccounts sperrt. Wie zuverlässig Netflix Zugriffe per VPN erkennt, ist jedoch umstritten.

Deutlich konkreter sind die Formulierungen bei Amazon Prime. Dort findet sich in den Nutzungsbedingungen ein direkter Verweis auf technische Hilfsmittel, die der Verschleierung des Kundenstandorts dienen. Die Verwendung eines VPN wird damit ganz explizit ausgeschlossen. Wer trotzdem den Umweg über ein VPN-Server nimmt, dem droht sogar die Löschung des Accounts. Wie konsequent Amazon diese Drohung in die Tat umsetzt, ist aber ebenfalls unklar. Abonnenten des Streaming-Dienstes Disney+ haben weniger Probleme mit gesperrten Inhalten, da sich der verfügbare Katalog international stark ähnelt. Daher finden VPNs in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Disney+ auch keine Erwähnung. Ob Nutzer für den Zugriff auf eine bestimmte Serie oder einen Film die Sperrung oder Löschung eines Accounts in Kauf nehmen, obliegt damit aktuell ganz der persönlichen Verantwortung.

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